Der Umgang mit Fehlern oder die Freude am Schreiben
Die gegenwärtig üblichen Lehrmethoden enthalten zahlreiche Irrtümer, die ein müheloses Lernen wenn nicht gar blockieren so doch zumindest erschweren.
Einer der grundlegendsten und auch destruktivsten Irrtümer betrifft den Umgang mit Fehlern:
"Damit ein Mensch seine Fehler ausmerzen kann, muss man sie ihm immer wieder in aller Deutlichkeit unter die Nase reiben."
Ich erläutere das am Schreiben lernen:
Wenn Kinder anfangen Schreiben zu lernen, dann entwickeln sie ganz natürlich "eine Lust am Schreiben":
Sie schreiben bei jeder Gelegenheit alles Mögliche, vorzugsweise mit Worten, die sie kaum kennen, geschweige denn deren Rechtschreibung.
Die so entstehenden Machwerke sind entsprechend voller Fehler.
Das können die Erwachsenen - so wie sie im Moment ticken - kaum ertragen:
"Wenn wir das nicht konsequent korrigieren, schleift es sich falsch ein und später bekommt man es nie mehr raus."
(Diese Annahme ist so falsch wie verbreitet.)
Die Folge: Die Kinder werden mit Korrekturen überschüttet und die "Lust am Schreiben" geht flöten.
In der Folge beginnt der ermüdende Prozess des mühevollen Übens.
Dabei könnte alles so einfach sein:
Macht euch locker und lasst sie schreiben - so falsch wie es nur eben geht.
Man muss ein Kind nicht mit großer Anstrengung zum Lernen bringen. Es will das von selbst.
Nicht Kinder müssen lernen fehlerfrei zu schreiben, sondern Erwachsene müssen lernen, mit Fehlern zu leben.
Der Irrtum besteht darin anzunehmen, dass da kein Lern- und Verbesserungsprozess stattfinden würde, wenn da nicht korrigiert wird, was das Zeug hält.
Es hat nur nie jemand ausprobiert, was passiert, wenn man ein Kind einfach schreiben lässt.
Dabei ist das so lustig. Es gehört zum Unterhaltsamsten, was Kinder hervorbringen - wenn man die Fehler ertragen kann.
Anstatt den Wortschatz eines Kindes extrem zu beschränken, um dann diesen beschränkten Wortschatz fehlerfrei hinzubekommen, kann man Kinder auch all die komplizierten Wörter benutzen lassen, die sie benutzen wollen und mit den Fehlern leben.
Anstatt über Diktate den Schwerpunkt aufs Ausmerzen von Fehlern zu setzen, sollte der Schwerpunkt verlagert werden, aufs kreative Verfassen von Texten.
Eine fehlerfreie Rechtschreibung ist dabei auch bis in hohe Klassen nicht das Ziel, sondern ein Abnehmen der Fehlerrate.
Meine These: Der "Fehlerfrei-Anspruch" ist auch unter Erwachsenen der Spaßkiller Nummern Eins am Schreiben.
Und mit Fehlern zu schreiben ist tausendmal besser, als nicht mehr zu schreiben, um keine Fehler zu machen.
Dabei spreche ich allerdings nicht von der Achtlosigkeit, mit der Tippfehler in der Internetkommunikation einfach stehen gelassen werden. Das ist im Gegenteil eine Form von mangelnder Achtung voreinander: "Du bist es nicht wert, dass ich mir Zeit nehme, meinen Text von Fehlern zu befreien."